Wege aus dem Trauma eröffnen
Etwa 1730 Asylbewerber wurden der Stadt Kaiserslautern seit 2015 zugewiesen. Traumatische Erfahrungen können diese im Psychosozialen Zentrum Westpfalz aufarbeiten.
Dessen Leiterin Susanne Sage sieht besonders bei den Frauen Nachholbedarf.
Susanne Sage ist Psychologin und arbeitet bereits seit längerem mit traumatisierten Menschen. Im Psychosozialen Zentrum Westpfalz (PSZ), einer Einrichtung des Kreisverbands Kaiserslautern des Deutschen Roten Kreuzes, werden Therapien angeboten, aber auch Asyl- und Verfahrensberatungen. Außerdem sind Sage und Sozialarbeiterin Faranak Soltanpour Ansprechpartnerinnen für Ehrenamtliche, die mit geflüchteten und traumatisierten Menschen zu tun haben. Seit Eröffnung des PSZ 2017 haben 477 Menschen Beratungsgespräche in Anspruch genommen, 319 ließen sich psychotherapeutisch behandeln. Etwa 28 Prozent der Klienten sind Frauen, erklärt Soltanpour.
„Viele Frauen leben in Parallelgesellschaften“Sage kennt viele Einzelschicksale: Männer und Frauen, die nachts nicht schlafen können, weil sie das Erlebte – begraben unter mehreren Leichen, verschleppt, gefoltert oder dazu gezwungen andere Menschen zu schlagen und zu demütigen – nicht loslässt; eine Frau, die bei der Überfahrt mit einem Schlepperboot ihren Bruder und weitere 150 Personen sterben sah. Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative oder multiple Persönlichkeitsstörung wird dann von der Psychologin diagnostiziert. Konzentrationsprobleme, depressive Phasen, Angstzustände, das Immer-Wiedererleben einzelner Momente gehören zu diesen Krankheitsbildern. „Wir waren von Anfang an total ausgebucht. Wir hatten zunächst fast nur Männer“, sagt Sage. „Was uns Sorge macht, sind die Frauen. Sie leben in vielen Kulturkreisen, vor allem in Afghanistan und Afrika, sehr zurückgezogen. Viele kennen ihre Rechte gar nicht, sie leben in Parallelgesellschaften.“ Sage kann von vielen Fällen berichten, in denen die Frauen das Haus nur selten oder gar nicht ohne männliche Begleitung verlassen dürfen, die zu Hause geschlagen werden, sowohl von ihren Männern, teilweise aber auch bereits von ihren Söhnen, sie kennt Fälle von Missbrauch und Vergewaltigung. „Aber die Frauen dürfen das nicht aussprechen, das sind alles Frauen, die gelernt haben, still zu leiden“, erzählt sie.
Durch Bilder wird Wissen vermitteltIn Einzelgesprächen, manches Mal auch in Gruppentherapie, sprechen die Flüchtlinge mit ihr über das, was sie bewegt. Häufig kommen Bilder zum Einsatz, viele innere Zustände werden gemalt und so langsam wieder zu einem Teil des eigenen Selbst. „Es geht darum, dass die Menschen ihre eigene Rolle reflektieren. Von uns Westeuropäern nehmen sie nicht unbedingt etwas an“, hat Sage erfahren. In den meisten Fällen sitzen Sprachmittler mit am Tisch, sie sind auf Honorarbasis für das PSZ tätig und bringen als Muttersprachler ihre Kenntnisse beim Übersetzen ein.
In Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt sechs PSZ, 43 Einrichtungen sind es deutschlandweit. Finanziert werden sie vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Familien, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, „außerdem gibt es einen Eigenanteil von zehn Prozent des jeweiligen Trägers“, erklärt Sage. Menschen aus dem Donnersbergkreis, aus den Städten Zweibrücken, Kusel, Pirmasens und Kaiserslautern sowie den entsprechenden Landkreisen können die Hilfe in Anspruch nehmen.
In der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Kusel bieten Soltanpour und Sage mittwochs Sprechstunden an. „Bis zu acht Personen kommen am Tag, es sind sehr schwere Schicksale“, sagt Soltanpour. 2017 entstand die Einrichtung beim DRK-Kreisverband Kaiserslautern, weil das PSZ in Ludwigshafen, bis dahin für die ganze Pfalz zuständig, überlaufen war, berichtet Sage. Ein weiterer Grund: die teilweise langen Wege für die Klienten. Aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Kusel seien es beispielsweise gut 100 Kilometer bis nach Ludwigshafen – einfacher Weg.
Im Kaiserslauterer PSZ sind aktuell 166 Personen in der Therapie angemeldet, 30 bis 40 kämen regelmäßig, so Soltanpour. Doch den Bedarf ganz decken können die beiden Frauen nicht. „Diejenigen, die anerkannt sind, können auch zu den niedergelassenen Psychologen gehen“, erklärt Soltanpour.
Quelle: Die Rheinpfalz Pfälzische Volkszeitung - Nr. 129, von Sara Brunn