Aus dem OP in die Gemeinschaftsunterkunft Post
Aus dem OP in die Gemeinschaftsunterkunft Post. Beim „Medical Wednesday“ engagieren sich Mediziner ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe.
Der kleine Achmad ist erst wenige Wochen alt. Doch es geht ihm nicht gut. In seinem Bäuchlein rumort es und er muss sich regelmäßig erbrechen. Seine Mutter Sara macht sich große Sorgen. Auch Fatima hat den Weg in den Verwaltungstrakt der Gemeinschaftsunterkunft Post, die vom DRK Kreisverband Kaiserslautern-Stadt betreut wird, gefunden. Sie ist schwanger und verliert von Zeit zu Zeit Fruchtwasser. Das macht ihr Sorgen. Sie solle viel liegen, sagte ihr der Frauenarzt. Doch das ist für sie nicht machbar. Ihre kleine Tochter hat gerade laufen gelernt, und beansprucht die junge Afghanin sehr. An Ruhe kann Fatima kaum denken. Neben ihr sitzt Omar. Er hat eine große Tüte bei sich. Das Apothekenzeichen prangt darauf. „Viele Medikamente“, sagt er, und wiegt bedenklich den Kopf. In seiner Hand hält er einen Befund aus der Gastroenterologie. Drei Seiten umfasst er. Was darauf steht, weiß Omar noch nicht so genau. Sie alle sitzen im Flur des Verwaltungstraktes der Gemeinschaftsunterkunft Post und warten darauf, dass sie ins Besprechungszimmer gebeten werden, das zu einer provisorischen Arztpraxis umgewandelt wurde. An diesem Mittwochabend warten hier die Ärzte Juan Carlos Saavedra, Rizk Rizk und Ahmad Abdallah auf die Patienten.
Seit einem knappen Jahr gibt es in der vom Deutschen Roten Kreuz Kreisverband Kaiserslautern-Stadt betreuten Gemeinschaftsunterkunft Post die ehrenamtliche medizinische Betreuung. Vom Zahnarzt bis hin zum Onkologen, haben sich Mediziner aus unterschiedlichen Ländern bereiterklärt, den Bewohnern des Hauses mit medizinischem Rat beizustehen. Dabei steht nicht die Behandlung im Fokus, denn die Bewohner des Hauses gehen wie alle Kaiserslauterer Bürger zu den niedergelassenen Ärzten.
Doch das bringt Schwierigkeiten mit sich. Oft bleibt das, was der Mediziner nicht sehen kann, schon dann diffus, wenn Patient und Arzt die gleiche Sprache sprechen. Und nicht selten gehen Patienten aus dem Sprechzimmer und sind unsicher, ob sie dem Arzt ihr Anliegen korrekt schildern konnten.
Das ist die Situation, in der sich viele Flüchtlinge wiederfinden. Und auch für die Ärzte ist die Beratung nicht immer einfach, selbst dann, wenn die Flüchtlinge von einem Übersetzer begleitet werden. Denn die Gefahr ist groß, dass sich eine Art „Stille Post Spiel“ entwickelt, bei dem der Patient seine möglicherweise unspezifischen Symptome dem Übersetzer schildert, und der das, was er verstanden hat an den Arzt weiterübersetzt. Umgekehrt muss der Übersetzer dann die Anweisung des Arztes an den Patienten zurückübersetzen. Da die Übersetzer häufig Familienmitglieder oder Freunde mit mehr oder weniger guten Deutschkenntnissen sind, ist nicht immer gesichert, dass der medizinische Laie dem Patienten die Diagnose und die Behandlungsentscheidung des Arztes korrekt vermittelt hat und dieser wirklich verstanden hat, was ihm sein behandelnder Arzt erklärt hat.
„In Gesprächen mit Ärzten und Bewohnern kristallisierte sich dieses Problem immer wieder heraus. Es war klar, dass wir hier eine Lösung finden müssen“, erinnert sich die Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft Post, Birgit Steinmann. Der „Medical Wednesday“, wie die wöchentlichen Besuche der ehrenamtlich tätigen Ärzte genannt werden, wird von den Bewohnern des Hauses hervorragend angenommen. „Als wir ihn zum ersten Mal angeboten haben, begannen wir um 16.30 Uhr. Die beiden syrischen Ärzte, die an diesem Tag Vorort waren, haben bis nach 22 Uhr Bewohner beraten und hätten auch noch bis Mitternacht weiterarbeiten können“, erinnert sich Steinmann an den großen Beratungsbedarf der Menschen. Mittlerweile ist der Beratungsbedarf zurückgegangen. Zwischen drei und zehn Beratungsgesprächen führen die Ärzte pro Abend.
Juan Carlos Saavedra muss nicht lange überlegen, warum er sich in der Gemeinschaftsunterkunft Post engagiert. „Weil hier meine Hilfe nötig gebraucht wird“, sagt der Gynäkologe. Sein Arbeitstag begann bereits um 5 Uhr morgens. Den ganzen Tag hat er im Landstuhl Regional Medical Center im Operationssaal gestanden, um dann gegen 17 Uhr mit seiner Ehefrau, Nicole San Juan zu den Flüchtlingen in der Gemeinschaftsunterkunft zu kommen. „Als Arzt spüre ich die Verpflichtung, mich zu engagieren, und Menschen zu helfen, wenn mir das möglich ist. Ich empfinde die Arbeit hier allerdings als sehr belohnend“, berichtet der Amerikaner. Seine Frau, die als ausgebildete Krankenschwester die Ärzte unterstützt, stimmt ihm zu.
Der syrische Onkologe Rizk Rizk engagiert sich aus dem gleichen Grund. „Es ist für die Menschen wichtig, sich über ihre medizinischen Probleme in ihrer Muttersprache und in Ruhe zu unterhalten. Oft kann man die Menschen alleine dadurch, dass man ihnen ihre Diagnosen noch einmal in Ruhe übersetzt, beruhigen und ihnen ein wenig Erleichterung verschaffen“, weiß er. Häufig muss er den Bewohnern auch das deutsche System erklären. Denn oft verstehen die Flüchtlinge die langen Wartezeiten bei Fachärzten nicht, da das Gesundheitssystem in ihren Heimatländern anders organisiert ist. Häufig muss er noch nicht anerkannten Patienten auch erklären, dass sie einen Krankenschein vom Sozialamt benötigen, wenn sie zu einem Arzt müssen, oder warum bestimmte Untersuchungen nicht genehmigt werden, weil sie als nicht zwingend notwendig erachtet werden. Bei den Flüchtlingen trifft er mit seinen Erklärungen in dem meisten Fällen auf großes Verständnis. Niemand möchte unnötig Kosten verursachen. „Wichtig ist, dass die Menschen ihre Situation verstehen und einschätzen können“, sagt der syrische Arzt. Oft schreibt er für seine niedergelassenen deutschen Kollegen kleine Notizen, die die Beschwerden der Bewohner konkret und fachlich korrekt beschreiben, so dass der Arzt über die sprachliche Barriere hinweg schon einen ersten Anhaltspunkt hat, was seinem Patienten fehlen könnte.
Auch Ahmad Abdallah engagiert sich regelmäßig beim „Medical Wednesday“. Er hat sich in Syrien bereits für einige Zeit beim Roten Halbmond engagiert. Vor seiner Flucht nach Deutschland hat er als Facharzt für Viszeral- und Allgemeinmedizin in einer Klinik in Aleppo gearbeitet. Dort war er häufig mit dem Schrecken des Krieges konfrontiert. „Manchmal hatten wir bis zu 60 Patienten innerhalb von zwei Stunden mit Schussverletzungen zu versorgen“, erinnert er sich. „Ich bin allen unseren ehrenamtlich tätigen Ärzten dankbar, dass sie sich die Zeit nehmen, unsere Bewohner zu betreuen. Mit ihrer umsichtigen Beratung nehmen sie den Menschen nicht nur viele Sorgen, sondern fördern auch nachhaltig das gegenseitige Verständnis“, sagt DRK Kreisgeschäftsführer Marco Prinz. „Mediziner und medizinisches Fachpersonal aller Fachrichtungen, die sich gelegentlich oder regelmäßig ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit des DRK Kreisverbands Kaiserslautern-Stadt engagieren möchten, sind in der Gemeinschaftsunterkunft Post herzlich willkommen und werden dringend benötigt. Vor allem Ärzte oder Pfleger mit persischer Muttersprache wären eine wichtige Verstärkung des medizinischen Teams.
Der Medical Wednesday wurde von der Ehrenamtskoordinatorin der GU Post ins Leben gerufen und wird mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Fernsehlotterie durchgeführt.
Die Namen der Patienten haben wir geändert.
Quelle: DRK, Frau Dieckvoß, Ehrenamt Koordination GU Post, 0631 800 93 460