„Manche haben sonst niemanden“
Jeder möchte am liebsten ein selbstbestimmtes Leben führen. Aber Krankheit, Unfall, körperliche, geistige oder psychische Behinderung sowie das Alter können den Wunsch durchkreuzen.
Früher drohte hilfsbedürftigen Menschen die Entmündigung samt Vormund. An ihre Stelle ist 1992 die gesetzliche Betreuung getreten. Aber was genau hat es damit auf sich?
„Der Begriff Betreuung wird oft falsch verstanden“, sagt Martina Bürger vom Betreuungs-verein des DRK-Kreisverbands Kaiserslautern Stadt. „Viele assoziieren damit eine ständige Aufsicht und Assistenz. Dem ist jedoch nicht so.“ Als gesetzlicher Vertreter hilfsbedürftiger Personen kümmert sich ein Betreuer lediglich um Angelegenheiten, die die Betroffenen nicht mehr selbst erledigen können. Dabei kann ihm die Verantwortung für drei Bereiche übertragen werden: Vermögenssorge, Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht. Betreuungsvereine- in Kaiserslautern gibt es vier - gewinnen, begleiten und verraten ehrenamtliche Betreuer, führen aber auch hauptamtliche Betreuungen durch. „Betreuer sind verpflichtet, zum Wohl und nach dem Wunsch des Betreuten zu handeln“, betont Martina Bürger.
Findet sich in der Familie oder im näheren Umfeld niemand, der diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen möchte oder kann, wird vom Gericht ein Betreuer eingesetzt, zumeist auf ehrenamtlicher Basis. So wie Jutta Rieckmann. Seit 2006 ist sie als gesetzliche Betreuerin tätig, derzeit für drei Personen zuständig. „Eine habe ich von meinem Mann übernommen, nachdem er im vergangenen Jahr verstorben war. Über ihn bin ich überhaupt dazu gekommen.“ 2006 begleitete sie ihren Mann, der auf der Suche nach einem Ehrenamt einen Kurs bei der Volkshochschule über die gesetzliche Betreuung belegte.
„Diese Kurse veranstalten wir gemeinsam mit dem Betreuungsverein der Arbeiterwohlfahrt, der Lebenshilfe und dem Sozialdienst katholischer Frauen und Männer“, sagt DRK-Mitarbeiterin Martina Bürger. „Sie finden einmal im Jahr statt und gehen über fünf Abende. Dabei werden die Teilnehmer mit allen Aspekten der gesetzlichen Betreuung vertraut gemacht.“ Denn das verantwortungsvolle Amt erfordert einige Kompetenzen - in rechtlicher, medizinischer und psychologischer Hinsicht.
„Die Personen, die ich betreue, leben alle im Seniorenheim“, sagt Jutta Rieckmann. „Ich besuche sie jede Woche, sehe, was anliegt. Mal ist es Schriftverkehr, mal sind es Bankangelegenheiten oder Arztbesuche. Wenn jemand ins Krankenhaus muss, bin ich an seiner Seite, rede mit den Ärzten.“ In manchen Zeiten nimmt die ehrenamtliche Tätigkeit viel Raum ein. Das weiß Helga Meier nur zu gut. Sie ist erst seit Herbst 2015 als ehrenamtliche Betreuerin tätig, hatte aber gleich alle Hände voll zu tun. „Ich kümmere mich um einen Mann Mitte 50, der im Rollstuhl sitzt und ins Heim umziehen musste. Das bedeutete, seine Wohnung aufzulösen, den Umzug zu organisieren, überall seine neue Adresse mitzuteilen und mich selbst bei allen entscheidenden Stellen als seine gesetzliche Betreuerin vorzustellen.“
Drei Monate war sie damit beschäftigt, sich in den „Fall“ einzuarbeiten und alles Notwendige auf den Weg zu bringen. „Aber es macht Freude, jemandem helfen zu können“, sagt sie und wird von Sabine Johnen, die seit etlichen Jahren das Ehrenamt ausübt, bestätigt: „Man bekommt viel zurück. Die Menschen sind sehr dankbar für die Unterstützung.“ Charlotte Scherer ergänzt: „Und für die Zeit, die man ihnen schenkt. Manche haben niemanden sonst, der sie besucht.“ Ihr erster Einsatz war eine Frau, die wegen fortgeschrittener Demenz nicht mehr zu Hause bleiben konnte.
Michael Kaganski ist selbst russischer Herkunft und nimmt sich ehrenamtlich russisch spre-chender Personen an. „Wer in der deutschen Sprache nicht so gut zu Hause ist, hat Probleme damit, Anträge auszufüllen oder Leistungen zu beantragen.“ Deshalb erledigt er diese Aufgaben für die Betreuten. „Doch zuerst muss ich die Unterlagen sichten und sortieren, um mir einen Überblick zu verschaffen. Das ist sehr zeitintensiv.“
Da das Ehrenamt viel Verantwortung mit sich bringt, werden gesetzliche Betreuer sorgsam ausgewählt „und auch nur dann vom Betreuungsgericht bestellt, wenn wirklich Bedarf vor-liegt, das heißt, das heiẞt, wenn jemand aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln“, betont Martina Bürger. Deshalb müsse ein Gutachten vom Facharzt vorliegen. Weiterhin überprüfe der Richter in einem persönlichen Gespräch mit dem Betroffenen, in welchem Umfang die Betreuung notwendig ist. „Aber auch ob derjenige mit der Betreuung beziehungsweise dem Betreuer einverstanden ist, vorausgesetzt, er kann die Situation einschätzen“, erklärt Bürger. „Angeregt werden kann eine gesetzliche Betreuung von jedem, wenn er einen Hilfsbedarf feststellt. Natürlich auch von dem Betroffenen selbst.“
Als Betreuer kommt in Frage, wer dazu bereit und in der Lage ist – aus der Familie, dem Bekanntenkreis, der Nachbarschaft, Mitglieder von Betreuungsvereinen. In besonderen Fällen können auch hauptamtliche Mitarbeiter von Betreuungsvereinen. In besonderen Fällen können auch hauptamtliche Mitarbeiter von Betreuungsvereinen und -behörden oder Berufsbetreuer ( siehe Zur Sache ) eingesetzt werden. „Ob jemand als ehrenamtlicher Betreuer geeignet ist, prüfen wir in einem persönlichen Gespräch. Wir fragen auch ab, ob ein Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis oder eine eidesstattliche Erklärung vorliegen. Weiterhin müssen sie einen Fragebogen ausfüllen, den wir an die Betreuungsbehörde weiterleiten.“ Wer eine Betreuung übernimmt, darf nur das regeln, was in den Aufgabenkreis fällt, den das Gericht festgelegt hat. Weitreichende Entscheidungen müssen gerichtlich genehmigt werden, wie etwa ein Hausverkauf oder gröẞere Ausgaben.
Auẞerdem muss regelmäßig, meist einmal im Jahr, dem Gericht Bericht erstattet werden, ob und was sich an den Verhältnissen des Betroffenen geändert hat. Wer mit der Vermögenssorge betraut ist, muss Rechenschaft über sämtliche Ausgaben ablegen. „Ist eine Betreuung nicht mehr nötig, kann sie jederzeit aufgehoben werden. Ansonsten ist sie auf maximal sieben Jahre begrenzt. Dann wird sie überprüft und gegebenenfalls verlängert.“
Ehrenamtliche Betreuer erhalten eine jährliche Aufwandsentschädigung von 399 Euro und sind über die Sammelhaftpflichtversicherung des Landes Rheinland–Pfalz versichert. „Falls ihnen mal ein Fehler unterlaufen sollte“, sagt Martina Bürger. „Allerdings steht unser Betreuungsverein ihnen jederzeit zur Seite, wenn sie Fragen haben oder ihnen etwas unklar ist. Außerdem gibt es regelmäßige Treffen sowie Fortbildungen zu relevanten Themen, nicht zuletzt auch zum Wohle der Betreuten.“
Um vorbereitet zu sein, wenn eventuell eine gesetzliche Betreuung nötig ist, kann sich jeder bei den Betreuungsvereinen informieren. Diese planen außerdem eine Art Speeddating im Herbst, wobei Fragen beantwortet und Vorsorge getroffen werden können.
Quelle: Rheinpfalz, Friederike Jung