Leben in der Gemeinschaftsunterkunft Post
Vom Anfangen und Ankommen. Seit November füllt sich das Gebäude, das in Kaiserslautern auch als „die Hauptpost“ bekannt ist, wieder mit Leben. Viele Jahre lang waren die Fenster in der oberen Etage des Hauses
dunkel gewesen, „zu vermieten“ Schilder hingen in den Fenstern. Wer heute in den frühen Abendstunden an dem Gebäude vorbeifährt, sieht hell erleuchtete Fenster. Wo früher trockene Formulare bearbeitet wurden, kann man heute Kinderlachen hören. Das ehemalige Bürogebäude ist zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge geworden. Ein Zuhause auf Zeit für Menschen, die ihr eigenes Zuhause oft auf tragische Weise verloren haben. Doch wie sieht das Leben in der Gemeinschafts-unterkunft Post – kurz auch GUP genannt – aus? Wie ist der Alltag der Menschen, die dort leben? Und wer sind sie? In einer kleinen Reihe möchte das Deutsche Rote Kreuz Kreisverband Kaiserslautern-Stadt e.V., das die soziale Betreuung der Flüchtlinge in der GUP übernommen hat, über den Alltag in der Unterkunft berichten.
Die Gemeinschaftsunterkunft Post ist derzeit die größte Gemeinschaftsunterkunft in Kaiserslautern. 209 Menschen leben derzeit hier. Das Deutsche Rote Kreuz Kreisverband Kaiserslautern-Stadt e.V. hat ihre soziale Betreuung übernommen, was bedeutet, dass die Mitarbeiter Ansprechpartner für alle Alltagsbelange der Bewohner sind. Das Team in der Gemeinschaftsunterkunft Post hat im November begonnen, alles für die Flüchtlinge vorzubereiten. Gemeinsam wurden Betten aufgebaut und Zimmer eingerichtet, Organisationsstrukturen aufgebaut und Netzwerke geknüpft. Natürlich traf man dabei auch auf einige Schwierigkeiten. Die Phrase „Ist bestellt“, wurde zu einem geflügelten Wort im Haus, das immer dann eingesetzt wurde, wenn irgendetwas nicht so klappte, wie es sollte. Gemeinsam wurden alle Hürden genommen, und nach einem Vierteljahr in Betrieb, läuft das Leben in der Gemeinschaftsunterkunft Post mittlerweile routiniert und ruhig. Die gemeinsame Aufbauarbeit hat das Team, von den Hausmeistern bis zur Unterkunftsleitung fest zusammengeschweißt. Ein Umstand, der der Atmosphäre im alten Verwaltungsgebäude entgegenkommt. Sie ist familiär und freundlich, die Flüchtlinge, Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer kennen und schätzen sich. Kommunikation und ein freundliches Miteinander gelingt über alle kulturellen und sprachlichen Grenzen hinweg.
Für einen Flüchtling beginnt das Leben in Kaiserlautern mit einer Zuweisung. Bis dahin hat er einige Wochen in einer Erstaufnahme-einrichtung, einer „Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende“ (AfA), gelebt. Dorthin war er geschickt worden, nachdem er gegenüber einer Behörde – meist ist das die Polizei – erklärt hat, dass er in Deutschland Asyl suchen möchte. Hier hat man ihn registriert und gründlich medizinisch untersucht. Nach einigen Wochen in der Afa erhält der Flüchtling eine Zuweisung in eine Kommune. Um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten, gibt es ein bestimmtes System, nach dem die Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer und Kommunen verteilt werden. Nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ nimmt Rheinland-Pfalz rund 4,8 Prozent aller Flüchtlinge auf, die in Deutschland einreisen. Kaiserslautern nimmt derzeit 2,4 Prozent der Flüchtlinge auf, die Rheinland-Pfalz zugewiesen bekommt.
Wenn feststeht, dass ein bestimmter Flüchtling nach Kaiserslautern ziehen soll, wird in Kaiserslautern zentral entschieden, in welcher Unterkunft der Flüchtling untergebracht wird. Die Mitarbeiter der Gemeinschaftsunterkunft Post erhalten etwa zwei Wochen vor Einzug des Flüchtlings eine Verteilungsverfügung, und können sich auf die neu einziehenden Flüchtlinge einstellen.
Alleinreisende Flüchtlinge leben in der Gemeinschaftsunterkunft Post vorwiegend in Dreibettzimmern, nach Geschlechtern und Nationen getrennt. Die Alleinreisenden bilden die große Mehrheit im Haus. Aber auch kleine Familien und Ehepaare findet man hier. Größere Familien werden anderweitig untergebracht, denn in der Gemeinschafts-unterkunft Post befinden sich Toiletten, Duschen und Küchen auf dem Gang. Was für allein reisende junge Männer meist kein großes Problem darstellt, ist für eine Familie mit kleinen Kindern denkbar ungünstig. Aufgrund der großen Zahl der ankommenden Flüchtlinge hat die Stadt hier allerdings wenig Spielraum. Und so gibt es auch in der Gemeinschaftsunterkunft Post Familien mit Kindern.
Dienstags und donnerstags ist Einzugstag. Die Flüchtlinge kommen am Rathaus an, und werden dort von den Mitarbeitern der Gemeinschaftsunterkünfte abgeholt. In der GUP Post übernehmen diese Aufgabe meist ein Hausmeister und ein Sozialarbeiter. Sie heißen die Neuankömmlinge willkommen, laden ihre wenigen Habseligkeiten, die oft notdürftig in Plastiktüten verpackt sind, in das hauseigene Kleinbusschen, und bringen sie in ihre neue Unterkunft.
Viele Flüchtlinge sind beim Anblick des hohen Gebäudes enttäuscht. Auch wenn sie nichts sagen, sieht man es doch in ihren Gesichtern. Sie hatten nach den langen Wochen auf der Flucht und in verschiedenen Camps, auf ein wenig Ruhe und Privatsphäre gehofft. Die derzeitige Baustelle im Innenhof sieht wenig heimelig aus, und die hohen Mauern verströmen bei der ersten Draufsicht wenig Anheimelndes. Mit ihrem Handgepäck steigen die Flüchtlinge die Treppe zum Verwaltungstrakt der GUP empor und warten dort auf ihre Registrierung und ihren Zimmerschlüssel. Meist heitert sich hier ihre Laune bereits auf. Die herzliche familiäre Atmosphäre ist einladend und die Mitarbeiter und Mitbewohner machen den Einzug leicht. Wenn die neuen Bewohner sich mit ihren Zimmern und den neuen Mitbewohnern vertraut gemacht haben, geht es darum, das tägliche Leben zu organisieren. Zunächst einmal gilt es, die Versorgung mit Essen und Trinken sicherzustellen. Denn darum müssen sich die Flüchtlinge selbst kümmern. Die nötigen Küchenutensilien erhalten sie aus Spenden, für die das DRK immer dankbar ist. Sind die Flüchtlinge mit Topf, Teller und Besteck ausgerüstet, gilt es, Nahrungsmittel einzukaufen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen haben die Flüchtlinge nur ein kleines Taschengeld bekommen. Deshalb müssen die Bewohner nun erst einmal zur nächsten Filiale der Stadtsparkasse, um einen Scheck einzulösen, den sie bei ihrer Ankunft in Kaiserslautern erhalten haben. Vielen knurrt zu diesem Zeitpunkt schon hörbar der Magen. Sie sind seit den frühen Morgenstunden unterwegs. Nun ist es Nachmittag, und es wird hoch Zeit, sich etwas zu Essen zu kochen. Doch die Orientierung in der neuen Umgebung fällt den Flüchtlingen oft erheblich schwer. Noch verstehen sie die Sprache nicht, manche von ihnen sprechen weder Englisch, noch können sie lateinische Schrift lesen. Für viele von ihnen ist das der erste Moment, in dem sie die Mitarbeiter des Hauses als wertvolle Stütze erfahren. Sie helfen bei der Orientierung in der neuen Umgebung, zeichnen Wege auf bereitliegende Karten auf und begleiten, wo Begleitung nötig ist.
Aber auch die „alteingesessenen“ Bewohner bieten ihre Hilfe an. So fühlen sich die neuen Bewohner aufgenommen und können ankommen. Zum ersten Mal seit vielen Wochen. Die Unterstützung der DRK-Mitarbeiter werden sie in den nächsten Wochen häufig benötigen. Denn in dieser Zeit werden sie viele Anträge auszufüllen, Ämtergänge und Arztbesuche zu absolvieren haben. Daneben werden sie versuchen, sich in Kaiserslautern zurecht zu finden, die deutsche Kultur zu begreifen und sich auf ein Leben in Deutschland vorzubereiten. Sie werden Sprachkurse besuchen und Kontakt zu Deutschen finden. Oft wird dies über ehrenamtliche Helfer stattfinden, die in der Gemeinschaftsunterkunft Post eine wichtige Rolle spielen. Auch wenn das Gebäude im ersten Moment nicht danach aussah, es wird ein erstes Zuhause in Deutschland. Ein Zuhause auf Zeit. Bis zum Abschluss des Asylverfahrens. Die Stadt rechnet derzeit mit einer Verweildauer zwischen sechs und neun Monaten in den Gemeinschaftsunterkünften.
Quelle: DRK, Frau Dieckvoß, Ehrenamt/ Koordination GU Post, 0631 800 93 460